Viele Menschen fragen mich, wie Psychotherapie mit dem Therapiehund überhaupt geht. Was innerhalb der Stunden so passiert, wie Amadeus helfen kann, wie er als Hund Therapie machen kann… etc.
Deshalb hab ich mich entschlossen einen Auszug aus einer Kinderpsychotherapie zu schreiben, um Menschen die an „Hundegestützter Therapie“ interessiert sind – ein Gefühl dafür zu geben, was innerhalb der Stunde passieren kann. Selbstverständlich ist der Name des Kindes aus Datenschutzgründen verändert worden.
Anna hatte furchtbare Angst: Vor den Monstern, die im Dunkeln auftauchen, wenn Mama das Zimmer verlässt und Anna alleine bleibt. Sie will stark sein und Mamas Wunsch erfüllen – dass sie nicht mehr zu ihr hinaus ins Wohnzimmer kommt um sich anzukuscheln. Aber sie erträgt lieber den Ärger von Mama – Hauptsache sie muss dort nicht mehr hin – wo es dunkel und ruhig ist. Wo im Kissen diese Gedanken warten und sich in ihrem Körper ausbreiten bis sie nicht mehr atmen kann. Wenn sie atmet, dann finden die Monster Anna, drängen sich auf und gehen nicht mehr weg. Und da ist auch noch die Verzweiflung und die Wut, die sie erlebt hatte – im Kindergarten – alle waren böse auf sie – dabei wollte sie endlich nur einmal…!
In der Therapiestunde: Amadeus bellte und winselte vor Anna und fühlte sich anscheinend vernachlässigt, alleine, unbeachtet. Anna merkte das gar nicht. Ich fragte laut: „Du Anna, was will uns denn Amadeus jetzt sagen? Was glaubst du?“ Anna war gar nicht richtig anwesend, sie blickte mich an und verstand nicht was ich von ihr wollte. So, als ob sie gerade wieder hier bei uns in der Stunde gelandet wäre von irgendwo weit her und herausgerissen wurde durch das Winseln, das Bellen, meine Frage. Ich sagte: „Du warst jetzt wohl ganz weit weg von uns, oder?“ Anna blickte ertappt zu Boden. „Wie war es dort in der anderen Welt, die du dir vorgestellt hast?“ Amadeus blickte hoch aufmerksam uns beide an. So als ob etwas wirklich Spannendes passieren würde und er aufpassen müsste. „Blöd!“, dann sprang sie auf und lief in den Raum, so als ob sie weglaufen würde von mir. Amadeus sprang auch auf und lief ihr hinterher, erfreut und mit spitzen Ohren. Er war ganz dicht bei Anna und folgte ihr durch den Raum. „Amadeus freut sich, dass du da bist und du ihn wieder beachtest. Schau mal wie er dich ansieht und wie er mit dem Schwanz wedelt…“ „Amadeus sollte mal mit mir in den Kindergarten kommen!“ „Aha, das wäre wohl ganz fein für dich, wenn er mit dabei wäre!“ „Ja, dann könnte er mal so laut bellen wie vorher, dann würden alle davonlaufen und mich in Ruhe lassen!“
Amadeus war in diesem kleinen Auszug aus einer Therapiestunde derjenige, der gespürt hatte, dass Anna nicht anwesend, sondern in ihren Gedanken ganz woanders war. Sie war in Erinnerung bei ihrem Erlebten vor einigen Tagen, als sich Anna ausgeschlossen fühlte oder sich selber ausschloss im Kindergarten. Durch sein Bellen und Winseln zeigte mir Amadeus an, dass er wahrgenommen werden wollte, dass er sich Zutritt zu Annas Welt verschaffen wollte, ihre Einsamkeit durchbrechen wollte und mit ihr gemeinsam hier sein wollte. Ich konnte Amadeus Hundesprache verstehen und Anna eine Frage stellen. Was sie denn denkt, was Amadeus denn von ihr möchte. Anna erzählte, dass ihr Erlebtes im Kindergarten „blöd“ war, ungelöst und belastend auftauchte aus ihrer inneren Welt. Als Anna in den Raum davonlief, blieb Amadeus bei ihr, suchte ihren Kontakt mit seinen Augen, mit dem wedelnden Schweif, blieb dicht neben ihr, begleitete sie, so wie sich Anna vielleicht gewünscht hatte, dass im Kindergarten jemand bei ihr gewesen wäre und sie gestärkt hätte, als sie sich endlich mal gewehrt hatte!
Diese Sequenz aus der „Hundegestützten Psychotherapie“ dauerte ca. 5 Minuten, ist sehr reichhaltig und dicht. Anna konnte durch Amadeus seine Spürnase in unserer Stunde zu dem für sie wichtigen Thema kommen – wie sie sich fühlt, wenn sie endlich einmal „NEIN“ sagt. Welche Möglichkeiten sie hat mit ihren Schuldgefühlen umzugehen – diejenigen, die sie uns gezeigt hat waren – wegzulaufen oder böse Monster zu phantasieren, die sie bestrafen und in der Nacht ängstigen. Meine Kunst als Therapeutin wird es jetzt sein, mit Anna ihre Schuldgefühle und ihr inneres Verbot aufzuarbeiten und Anna zu stärken. Gemeinsam werden wir überlegen und beobachten, wie Amadeus zeigt, dass er etwas nicht will – vielleicht kann sie sich ja was abschauen von ihm? Amadeus hat mit seiner Spürnase eine wesentliche Vorarbeit dazu geleistet. Danke Amadeus!